R.E.M. Konzert am 19.07.2003 in Wiesbaden
Setlist:
- Begin the Begin (Lifes Rich Pageant 1986)
- Kenneth (Monster 1994)
- Maps and legends (Fables of the reconstruction 1985)
- Drive (Automatic for the people 1992)
- Animal (new Song)
- Daysleeper (Up 1998)
- Great beyond (Man on the Moon Soundtrack 1999)
- Bad Day (new Song)
- The one I love (Document 1987)
- All the way to Reno (Reveal 2001)
- Orange Crush (Green 1988)
- Losing my releigion (Out of Time 1991)
- At my most beautiful (Up 1998)
- Electrolite (New Adventures in Hifi 1996)
- She just wants to be (Reveal 2001)
- Walk unafraid (Up 1998)
- Man on the moon (Automatic for the people 1992)
Zugabenteil:
- Everybody hurts (Automatic for the people 1992)
- So fast so numb (New Adventures in Hifi 1996)
- Country Feedback (Out of time 1991)
- Imitation of life (Reveal 2001)
- Permanent Vacation (unpublished Song)
- End of the World as we know it (Document 1987)
R.E.M. ist in diesem Sommer nach längerer Pause mal wieder auf
Tour gegangen. Den Auftakt machten die drei Jungs aus Athens in
Europa, und erst im Spätsommer/Herbst geht es in die Staaten.
Auch Deutschland stand auf dem Tourplan, allerdings mit nur vier
Konzert. Sie spielten in Berlin, Hamburg und München. Setzt
man die Reihe der wichtigsten Metropolen Deutschlands im Geiste
fort, dann fallen einem wahrscheinlich Köln, Stuttgart oder
auch Frankfurt ein. Der tatsächliche Konzertort des vierten
und letzten Gigs in Deutschland ist immerhin in der Nähe der
Main-Metropole: es war die etwas verschlafen Landeshauptstadt
Wiesbaden. Vielleicht war es ja die Kulisse des sogenannten Bowling
Green, einer großen Grünfläche mitten in der Stadt,
welche die Band anlockte. Das Konzert wurde auch von mehren Kameras
mitgeschnitten und Michael Stipe teilte mit, dass just dieses
Konzert ausserwählt worden war, um in einem Tourfilm
verwurstet zu werden. Seine augenzwinkernde Erklärung für
Wiesbaden: die Band hatte den Regisseur und die Produzenten des
Films gefragt, welches wohl der beste Ort für einen
Video--Konzertmitschnitt sei, und die haben gesagt: "Wiesbaden".
Der wirkliche schöne - wenn auch relative kleine -
Konzertplatz ist an drei Seiten von historischen Gebäuden
gesäumt: Vor Kopf findet sich das Kurhaus (ist Wiesbaden
eigentlich Kurort?), links der Bühne das Theater und rechts
der Bühne befindet sich das Casino - woraufhin Stipe verriet,
dass er sich nichts aus Glückspiel mache, aber Bandkollege
Mike Mills könne am Blackjack-Tisch schon mal die Bank
sprengen.
Der Konzertort bot also gute Voraussetzungen für ein feines
Open-Air Erlebnis, und auch das Wetter spielte mit: Keine Wolke
trübte den Himmel und die Sonne beschien die Teilnehmern
anfänglich noch recht erbarmungslos, so dass die
Getränkestände sich nicht über mangelnden Absatz
beklagen konnten. Die beiden Vorbands vertrieben einem zwar ganz
nett die Wartezeit, waren aber kein wirklicher Knaller. Die erste
spielte ziemlich gitarrenlastig und ohne Sänger scheinbar
ständig die Anfangsmelodie von "Bonanza" - nun ja, nicht
wirklich, aber der Sound war doch sehr Western-mäßig
angehaucht. Mehr als höflichen Applaus gab es dafür
nicht. Auch die nächste Band, die immerhin halbwegs bekannte
"Blumfeld" Combo aus Hamburg, bekam nur recht müdes Klatschen,
was der Sänger regelmäßig mit einem "Danke
Schön" kommentierte, welches völlig überrascht
darüber klang, dass überhaupt wer klatschte. Beim ersten
Mal war das noch ganz witzig, später ging es auf die Nerven,
zumal der Herr im weiteren auch noch recht überheblich
rüberkam.
R.E.M. ließ sich bis kurz vor neun Zeit mit dem Auftritt und
betrat dann ganz unspektakulär die Bühne - kein Loch im
Boden oder Seiteneingang, kein Vorhang der fiel o.ä.. Die
Bühne war im übrigen recht klein und frei von jeglichem
Firlefanz. Keine Videowände, keine Konfetti-Werfer, keine
Feuerwerksinstallation. Nur ein paar altmodische Glitzerwände
mit stilisierten Bildern der verblieben drei Bandmitglieder sowie
drei Leuchtbuchstaben, welche die Message " Luv" knallrot
herausleuchteten. Auch sonst beschränkte sich das Konzert
angenehm auf das Nötigste. Im Ganzen sechs Musiker waren auf
der Bühne, die Kernband wurde verstärkt durch einen
Drummer, einen Bass-Gitarristen und einen weiteren Saiten-Artisten,
der bei Bedarf auch die Keyboards bediente.
Wer jetzt meint, mit diesen bescheidenen Mitteln ließe sich
keine gute Show abliefern, der irrt. Die Band lieferte ein gut
gelauntes Bild ab und bot musikalisch eine Leistung vom Feinsten.
Beim betreten der Bühne trug Stipe einen türkisfarben
Anzug, dazu Cowboyhut und Sonnenbrille. Fast schien es, als wollte
er sich in diesem Aufzug abschirmen, aber im Laufe des Konzertes
entledigte er sich immer weiteren Teilen seiner Rüstung. Der
Hut flog als erstes, dann die Sonnenbrille, später das Sakko,
dann noch die Krawatte. Das Hemd behielt er an (was bei einigen
Konzert der Tour nicht der Fall war, wovon man sich auf der
offiziellen REM Seite im Netz überzeugen kann), lüftete
es aber im Zugabenteil mehrfach - eine etwas unmotivierte Geste,
und es ist fraglich, ob es die weiblichen Fans wirklich gefreut
hat. Auch Mike Mills zog das schreiend Orange Sakko über dem
quitschgelben Hemd nach ein paar Songs aus, blieb dann aber dabei.
Einzig Peter Buck blieb modisch unauffällig in einem
verwaschenen, vielleicht mal rotem Hemd.
Auch wenn Stipe sich immer wieder bemühte, seine Bandkollegen
mit in den Mittelpunkt zu rücken, war es letztlich seine Show.
Und die zog er gut ab. Stimmlich in hervorragender Verfassung setze
er die Songs sehr emotional--betont um. Sie wirkten lebendiger als
auf den Alben, obwohl die Arrangements nur wenige Experimente
enthielten.
Die Songauswahl (Stipe schleuderte nach jedem Lied einen Teil der
Setlist ins Publikum) ist wohl eine Vorschau auf das im Herbst
erscheinende Greatest Hits Album der Band. Natürlich haben sie
es nicht nötig, noch neue Alben zu produzieren, aber ein
bisschen enttäuschend ist es ja schon, dass die Band sich
scheinbar schon aufs Altenteil zurückzieht (wo sie wirklich
noch nicht hingehören). Außerdem riecht ein "Best of"
Album mit zwei neuen Songs im Weihnachtsgeschäft doch arg nach
Geldmacherei - hoffen wir, dass nur die böse Musikindustrie
Schuld daran hat.
Also "Best of 1988 bis 2003" soll das Album enthalten, und dass
gab es denn auch auf dem Konzert. Ein wirklich guter Querschnitt
durch das Schaffen der Band in den letzen 15 Jahren, seit sie dem
Major Label Warner unter Vertrag sind. Natürlich war dieses
Werkschau garniert mit einigen "Vor 88" Frühwerken, so durfte
"The One I love" natürlich ebensowenig fehlen wie der bekannte
Rausschmeißer "It's the End of the world as we know it".
Auch die weniger erfolgreichen Alben "New Adventures in Hi-Fi" und
"Up" (letzteres gerne zu unrecht von der Kritik als kopflastig
verschrieen) wurden bedacht. Die beiden "New Adventure"-Songs
wurden übrigens laut Stipe gespielt, weil sie auf der
Bandhomepage gewünscht wurden - das hörte sich im Falle
von "So fast so numb" beinahe an wie eine Entschuldigung (Sorry,
wir wissen keine Sau kennt das Lied, aber es wurde halt
gewünscht), was völlig unnötig war, da gerade dieser
Song Stipe eine der besten Leistungen des Abends entlockte.
Abgesehen vom noch halbwegs eingängigen "What's the frequency
Kenneth?" verzichtet die Band glücklicherweise auf Stücke
von dem verunglückten Grunge Experiment "Monster".
Allzu textsicher war das Wiesbadener Publikum beim mitsingen nicht
- man hatte durchaus den Eindruck, dass viele so manchen Song zum
ersten Mal hörten - aber egal, mitgeswingt wurde trotzdem. Bei
den im Radio durchgenudelten "Losing my Religion" oder "Man on the
Moon" war das Publikum aber natürlich dabei.
Zwei Songs des Abends war zwangsläufig unbekannt, eben weil es
die neuen Dreingaben zu dem "Greatest Hits" Album sind. Beide neuen
Songs ("Bad Day" soll als Single herauskommen, zu der das Video
schon abgedreht ist) konnten gut gefallen - keine Experimente, viel
Gitarren und Erinnerungen an bekannte Klassiker der Band.
Ein Song fehlt seltsamerweise auf der Setlist, die auf REMHQ.com
veröffentlicht wurde. Ein Frühwerk, das die Band laut
Stipe erst zweimal auf Konzerten gespielt hat, und das sich auch
noch deutlich nach Garagen-Collegeband anhörte - aber das
recht schwungvoll durchaus Ohrwurm- und Gute Laune Qualitäten
hat. Dieser Song heißt "Permanent Vacation". Als die Band
nach gut zwei Stunden schon abtrat, versprach sie ein baldiges
Wiederkommen - man darf gespannt sein. Als die Bühne
eigentlich schon geräumt war, drehte Stipe sich auf dem Absatz
um und sprang mit drei raschen Schritten zurück in die Mitte
der Bühne, um dort eine "La Ola" Welle durch das Publikum zu
starten. Einen kindischen Spaß schien er daran zu haben, und
es passte zu der guten Laune, die der Abend verbreitete.